Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, warum nicht? Viele kinky Personen eignen sich im Laufe der Jahre in Ihrer Fetischwelt besondere Fähigkeiten und persönliche Eigenschaften an. Manche davon können auch in der Arbeitswelt sehr nützlich sein, ohne direkt den Kollegen seinen Fetisch aufzudrängen.
Kinky ist das neue „pervers“
Immer häufiger finden die Worte „kink“ und kinky“ den Einzug in unseren Wortschatz. Was früher noch als abnorm und pervers bezeichnet wurde und somit einen eher negativen Kontext hatte, so ist es heute eine durchaus positive Personeneigenschaft, wenn man ein wenig „kinky“ ist. Das liegt wohl auch daran, dass unsere Gesellschaft dem Thema Fetisch immer offener begegnet, wenn auch in sehr kleinen Schritten. Doch auch kleine Schritte sind eine Fortbewegung und somit eine Entwicklung, die wir begrüßen.
Skills
Waren es früher noch Fähigkeiten und Erfahrungen, so spricht man im Berufsleben heute im Neudeutschen von „Skills“. Fragte man früher noch „kennst du dich damit aus“, würde man heute eher „hast du hier entsprechende Skills“ sagen. In der Fetischszene wird somit auch immer häufiger von Skills gesprochen. Wobei hier weniger von Fetischen die Rede ist, sondern tatsächlich auch von Fähigkeiten. Ein Beispiel wäre die Fähigkeit eine Person komplett bewegungslos zu fesseln oder der sichere und routinierte Umgang mit bestimmten Spielsachen.
Übung macht den Meister
Je mehr Erfahrung eine Person im Bereich BDSM sammelt, desto routinierter werden die Handgriffe innerhalb einer Session. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich zum ersten Mal jemanden in eine Zwangsjacke fixiert habe. Das dauerte gefühlt eine Ewigkeit. Heute sind die Handgriffe hier deutlich präziser und der Einschluss erfolgt schneller. Weniger Zeit beim Anlegen, dafür mehr Zeit und Genuss für den devoten Spielpartner beim Schmoren. Von daher könnte man nun sagen, dass ich was das Anlegen von Zwangsjacken angeht, entsprechende Skills besitze.
Persönliche Eigenschaften und Selbstbewusstsein
Es sind aber nicht nur die Skills, die man sich aneignet, sondern auch ein gewisser Reifeprozess der eigenen Persönlichkeit. Man wird älter, reifer und erfahrener in allen Lebenslagen. Das spiegelt sich in der eigenen Sexualität, im Alltag und im Berufsleben wider. Vor allem das Selbstbewusstsein wird größer. Wäre ich vor 25 Jahren noch im Boden versunken, wenn mich jemand auf meine sexuellen Vorlieben anspricht, so bin ich heute so sehr gefestigt, dass konkrete Fragen jeder Person höflich beantwortet werden können. Dieses Selbstbewusstsein kam nicht von heute auf morgen, das war ein schleichender Prozess und mein Freundeskreis und mein persönliches Umfeld haben hier sehr geholfen.
Ein Beispiel aus einer Session
Versetzt euch in die Rolle eines dominanten Spielpartners innerhalb einer BDSM-Session. Nun versucht euch vorzustellen, wie ihr eurem Gegenüber die Anweisung gebt sich selbst zu entkleiden und dann nackt vor euch zu knien, damit ihr dieser Person ein Halsband anzulegen könnt. Wie würdet ihr das anstellen? Vermutlich wäre der erste Versuch diese Anweisung verbal zu übermitteln und die Hoffnung, dass dieser Anweisung Folge geleistet wird. Doch was ist, wenn die Person sich weder entkleidet noch vor euch kniet. Eine weitere Möglichkeit wäre das Inaussichtstellen einer Belohnung, wenn der Anweisung Folge geleistet wird, zum Beispiel das Ausleben einer bevorzugten sexuellen Praktik. Wenn das immer noch nicht fruchtet, dann könnte eine Androhung einer Strafe hilfreich sein. Und wenn selbst die Strafandrohung im Nichts verklingt, dann wäre die Durchführung erzieherischer Maßnahmen zu empfehlen, wie zum Beispiel eine physische Züchtigung. Wenn alles nicht hilft, dann hilft nur noch die Beendigung der Session.
Wenn ich das selbst mit etwas Abstand betrachte, dann erinnert es stark an die Kindererziehung, die ich selbst genossen habe. Es gab eine Anweisung der Eltern, wenn man nicht reagiert hat, dann gab es die Aussicht auf eine Belohnung oder alternativ die Drohung einer Strafe. Und wenn man immer noch nicht reagiert hat, dann hat es geknallt. So einfach, wenn auch restriktiv, war die Kindererziehung in den 80ern. Heute wird mit den Blagen eher alles ausdiskutiert, was wir an der Stelle wertungsfrei in den Raum stellen.
Parallelen im beruflichen Alltag
Versetzen wir uns mit dem oben genannten Beispiel in die Arbeitswelt. Stellt euch vor, ihr seid eine Führungsposition in einem Industriebetrieb und ihr müsst dafür sorgen, dass eure „Untertanen“ euren Befehlen folgen. So gebt ihr einem Mitarbeiter die Anweisung einen Besen zu holen und die Werkstatt zu kehren. Was macht ihr, wenn der Mitarbeiter aber dieser Anweisung nicht folgt. Zuerst versucht man es mit Mitarbeitermotivation, was dem Betriebsklima normalerweise positiv entgegenwirkt. Wenn das nicht funktioniert, wäre die Aussicht auf eine Sanktion hilfreich und ein Hinweis auf die Erfüllung der im Arbeitsvertrag stehenden Regeln. Sollte der Mitarbeiter dann immer noch keine Lust haben, so wäre eine Abmahnung oder gar eine Kündigung eine Option, um das Vertragsverhältnis langfristig zu lösen bzw. zu beenden.
Was hat das mit persönlichen Kinks zu tun?
Da ihr vermutlich im beruflichen Alltag eher selten einen Mitarbeiter oder Kollegen in eine Zwangsjacke stecken werdet (auch wenn sich der eine oder andere Kollege darin bestimmt wohl fühlen würde), stellt sich die Frage, was denn nun die eigenen persönlichen Kinks mit dem beruflichen Alltag zu tun haben. Unabhängig von den erwähnten Beispielen ist das Selbstbewusstsein entscheidend. Man muss sowohl in der Arbeit als auch im Privatleben Entscheidungen treffen und immer wissen, was man selbst eigentlich genau möchte. Wenn man weiß, was man selbst möchte, dann liegt es an einem selbst, diese Ziele entsprechend umzusetzen.
Man kann lernen in seiner Kommunikation mit seinen Mitmenschen konkreter zu werden. Es muss nicht immer bedeuten im Imperativ zu sprechen, aber es ist durchaus hilfreich seine Ziele bestimmt zu kommunizieren. Es gibt im Spielzimmer und auch am Arbeitsplatz von anderen Personen eine gewisse Erwartungshaltung. Je gefestigter man in seiner persönlichen Rolle ist, desto besser werden diese Erwartungen auch erfüllt. Unter dem Strich nennt man dies dann Erfolg.
Hintergründe für Entscheidungen
Wenn man sich mit seinen Mitmenschen beobachtet, so gibt es für jede Entscheidung einen Grund. Manchmal verstehen wir die Gründe nicht immer. Es kann hilfreich sein manche Entscheidungen von Mitmenschen zu hinterfragen, um auf diese Personen besser eingehen zu können.
Warum weigert sich der Spielpartner sich auszuziehen und sich hinzuknien? Geht es ihm vielleicht gesundheitlich nicht gut oder hat er vielleicht Angst vor der Session?
Warum holt der Mitarbeiter den Besen nicht, um die Werkstatt rauszukehren? Fühlt er sich unterfordert und möchte lieber eine andere Arbeit erledigen oder fühlt er sich gegenüber anderer Kollegen benachteiligt?
Zuckerbrot und Peitsche
Oft hilft ein direkter Dialog mit der betroffenen Person, damit man Missverständnisse klären kann. Wenn der Dialog nicht gewünscht ist, dann müsst ihr selbst zwischen Zuckerbrot und Peitsche entscheiden. Wichtig ist in der beruflichen und privaten Welt das Vertrauen. Man muss sich selbst vertrauen und man muss seinem Gegenüber vertrauen können. Nur so kann man gemeinsam durch Dick und Dünn gehen, egal ob im Büro oder im Kerker.
Subs im Nachteil
Beim Lesen des Artikels kommt es einem vor, dass hier ausschließlich dominante Personen angesprochen werden. Dies stimmt nicht. Auch devote Spielpartner können von ihren kinky Skills in der Berufswelt profitieren. Devote Spielpartner haben ebenso wie dominante Personen die Fähigkeit sich an Regeln zu halten. Und dank der gemeinsamen Einhaltung von Regeln ist ein konstruktives Miteinander möglich. So kann ein devoter Kinkster im Beruf entweder seine Gehorsamkeit unter Beweis stellen oder die Einhaltung von Regeln und Vorschrift an seine Kollegen in einer führenden Rolle weitergeben. Man kann also eigentlich nur profitieren.
Wenn die Kollegen wüssten…
Viele Personen halten ihr Privatleben und ihr Berufsleben strikt getrennt. Dies kann reiner Selbstschutz sein und nicht jeder Kollege oder Vorgesetzte muss unbedingt wissen, was man in seiner Freizeit macht. Außer euer Chef liest gerade genau diesen Artikel und möcht seine kinky Skills an euch anwenden. Das soll jetzt aber kein Aufruf zu einem Fetisch-Outing im Betrieb sein, sondern euch aufzeigen, welche Möglichkeiten ihr mit euren persönlichen Fähigkeiten ihr habt. Seid stolz auf euch selbst und seid euch eurer Skills bewusst. Wenn ihr wollt, könnt ihr vieles erreichen, ihr müsst euch nur trauen. In diesem Sinne: Traut euch!