Unbekannten Dingen wird oft mit Ablehnung begegnet. Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Bei Fetischen ist das ähnlich und so werden unbekannte Fetische gern vorsorglich als „Tabu“ gekennzeichnet. Doch vielleicht wäre es an der Zeit so manchem unbekannten Fetisch eine Chance zu geben. Der Appetit kommt vielleicht beim Essen.
Als ich Kind war, gab es beim Essen eine klare Regel: Alles wird mindestens einmal probiert. Ein bloßes „das mag ich aber nicht“ wurde von meiner Mutter mit „du wirst es wenigstens probieren“ gekontert. Wenn man dann nach dem Probieren feststellte, dass es so absolut nicht dem Geschmack entspricht, wurde man in Zukunft damit verschont. Aber bis zur ersten Kostprobe gab es keine Diskussion. Und so tastete man sich vorsichtig und dennoch bestimmt (teils durch die Eltern fremdbestimmt) durch die Kulinarik.
Lebenseinstellung
Jeder bekommt von den Eltern gewisse Werte vermittelt. Die heutige Jugend lernt beispielsweise, wie man den Eltern auf der Nase herumtanzt. Es ist hinreichend bekannt, dass heutzutage nicht mehr der autoritäre Führungsstil im Vordergrund steht. Die Offenheit in der Erziehung kann sich auch in einer offeneren Lebenseinstellung im Erwachsenenalter bemerkbar machen. Gab es früher klare Grenzen bei den Dingen, welche man tun darf und welche man nicht tun darf, so probieren junge Leute gern mal etwas Neues aus.
Feuer und Flamme
Junge Menschen, die neue Fetische ausprobieren, haben teils einen unstillbaren Durst diese Dinge zu aktiv auszuleben. So sind sie mit Leidenschaft und Herzblut dabei, bis zu dem Zeitpunkt, bei dem es etwas noch Besseres gibt, das sie dann erleben möchten. Wir haben ein paar junge Neueinsteiger beobachtet und von einem Extrembeispiel möchten wir euch berichten.
Gestern dies, heute das, morgen etwas anderes
Vor ein paar Jahren haben wir einen regelmäßigen Kontakt zu einem damals 19 Jahre jungen Mann aufgebaut. Das Thema Keuschheit faszinierte ihn. Von seinen Ersparnissen kaufte er sich schließlich eine hochwertig Keuschheitsschelle. Der erste LOCKtober war seine Feuertaufe und er leckte Blut. Es schien seine Erfüllung gewesen zu sein und so ging er einen Schritt weiter und ließ sich beschneiden, was die Hygiene im Keuschheitsgürtel verbesserte und es folgte ein Prinz-Albert-Piercing (PA) und eine dazugehörige PA-Sicherung für seinen Keuschheitskäfig.
Irgendwann probierte er sich als Puppy und es folgte die volle Ausrüstung. Dogmaske aus Neopren, Brustharness aus Leder, abschließbare Lederfäustlinge, mehrere verschiedene (teils abschließbare) Halsbänder und mehrere Buttplugs, die wie die Rute eines echten Hundes aussahen. Der Keuschheitskäfig war anfangs noch ein Teil von ihm, doch irgendwann war seine Keuschheit nicht mehr im Fokus. Er fühlte sich zu Herren in Leder sehr hingezogen und hier fand er auch schon seinen nächsten Lebensabschnitt.
Gerade noch auf allen Vieren stand unser Gesprächspartner wenige Monate danach in voller Lederuniform auf einem Straßenfest. Der schüchterne junge Mann war fort und es stand ein dominanter Lederkerl vor uns, der in seiner Rolle durchaus gefestigt war und was charakterlich zu ihm passte. Doch was ist er denn nun? Ist er ein devoter Keuschling, ist er ein verspielter Puppy oder ist er ein dominanter Lederkerl? Als wir ihm diese Frage direkt stellten, musste er lachen. Seine Antwort war wie folgt: „In meiner Brust schlagen mehrere Herzen. Es kommt immer auf die Situation, die Tageslaune und auch den Spielpartner an. Es war wichtig für mich mehrere Dinge auszuprobieren und das bietet bei der Suche nach Spielpartnern und Weggefährten eine gewisse Flexibilität. Ich liebe die Vielfalt, nicht nur beim Essen, sondern auch beim Spielen.“
Erzwungener Fetisch
Wie verhält es sich, wenn man von der Partnerin oder dem Partner einen Fetisch aufgedrängt bekommt, an dem man eigentlich gar kein Interesse hat. Eine Leserin (möchte anonym bleiben) hat es uns wie folgt erklärt:
„Mein Mann liebt Latex, ich konnte damit aber nichts anfangen. Wir haben schnell gemerkt, dass der Geschlechtsverkehr ohne Fetischkleidung für ihn nichts ist. Schließlich kaufte er mir und sich selbst Latexkleidung. Ich war anfangs überrumpelt, doch habe ich das Zeug ihm zuliebe angezogen. Ihn macht es geil, für mich ist es eher ein Mittel zum Zweck, damit wir Sex haben können.“
Ein wirklicher Zwang ist es nicht, doch ein Verzicht auf Fetischkleidung würde für sie sexuelle Abstinenz bedeuten.
Anders verhält es sich, wenn der Fetisch gegen den Willen verordnet wird. Ein devoter Leser (möchte ebenfalls anonym bleiben) schreib uns seine Erfahrungen:
„Mein Master nimmt keine Rücksicht auf meine Vorlieben. Er zieht sein Ding durch. Wenn er mich als Köter sehen will, dann zieht er mir eine abschließbare Hundemaske über und steckt mir einen Buttplug mit Dogtail in den Arsch. Ob es mir gefällt oder nicht, ist für ihn irrelevant. Auch wenn ich das Dasein als Köter hasse, so liebe ich seine Dominanz. Ähnlich verhält es sich bei anderen Fetischen. So muss ich teils hohe Springerstiefel (mit 30 Loch) tragen, auch in der Öffentlichkeit, was für mich erniedrigend ist, da ich den Skin-Fetisch nicht mag. Er wusste es, kaufte mir dennoch die Stiefel und rasierte mir den Schädel kahl. Damit ich die Stiefel nicht ausziehen kann, werden sie teils mit einem Schloss gesichert. Ich hasse es! Dennoch füge ich mich seinem Willen. Wenn ich meine Zeilen selbst lese, so sagt mein Kopf, dass ich verrückt bin. Mein Herz sagt aber etwas anderes und mein Schwanz (pochend gegen sein enges Gefängnis im KG) bestätigt meine Unterwürfigkeit.“
Kommt der Appetit beim Essen?
Möglicherweise! Einige Leser haben uns berichtet, dass sie nach dem Ausprobieren eines neuen Fetischs neugierig wurden und den jeweiligen Fetisch weiter ausgebaut haben. Es gab aber auch Kostproben, die einmalig waren und die Fetische nicht weiter verfolgt wurden. In wenigen Fällen kam es nach einer Kostprobe zum Ausruf eines Tabus für die Zukunft.
Unser Rat
Seid neuen Dingen gegenüber offen. Probiert auch gern einmal unbekannte Fetische, Spielsachen oder Sexualpraktiken aus. Vielleicht findet ihr und euer Gegenüber Gefallen daran. Bleibt aber auch euren Prinzipien treu. Nein bedeutet nein! Wenn euer Partner kein Interesse hat, dann respektiert dies! In unserem Extrembeispiel mit dem erzwungenen Fetisch ist es eine Gratwanderung, die aber innerhalb einer einvernehmlichen hierarchischen Beziehung stattfindet. Passt aufeinander auf!