Der Mann! Das starke Geschlecht! Echte Männer weinen nicht! Gefühle zu zeigen ist ein Zeichen von Schwäche! So ein Blödsinn! Auch Männer haben Gefühle und manchmal zeigen sie diese auch. Und auch in einer BDSM-Session kann es passieren, dass es sehr emotional wird und auch mal eine Träne fließt.
Männer empfinden viele Dinge: Durst, Hunger, sexuelle Lust… Doch wie sieht es mit den „zarten“ Empfindungen und Gefühlen aus? Einige Männer empfinden Scham, wenn sie ihre Gefühle offen zeigen. Das „starke“ Geschlecht zeigt eben keine Gefühle. Weinen wird oft mit Trauer und Schmerz verbunden. Und wer ist denn schon gern traurig und schmerzerfüllt? Es gibt aber auch Tränen der Freude, denn bei einem Lachanfall kann es ebenfalls passieren, dass die Tränen fließen. Das kann man vielleicht heraufbeschwören, wenn man eine Person lange und intensiv kitzelt.
Bei einer BDSM-Session kann es heiß hergehen und bei mancher Praktik kann es passieren, dass der devote Partner an seine physischen und auch psychischen Grenzen kommt. Ein klassisches Beispiel ist das Spanking. Wenn man einem Sub den Hintern versohlt, dann mögen die ersten paar Schläge geil sein. Ein paar Schläge weiter kann die Geilheit zu einem Unwohlsein führen und aus diesem Unwohlsein wird Schmerz. Es gibt Personen, die nehmen Schmerz zur Kenntnis, zeigen das aber nicht offen. Wir erinnern uns an unsere Kindheit, als die Eltern mit dem Spruch „Indianer kennen keinen Schmerz“ versucht haben, die Kinder dazu zu bringen, den Schmerz zu verdrängen bzw. zu unterdrücken. Ist Verdrängung der richtige Weg?
Sollte man also auch in einer BDSM-Session versuchen den Schmerz zu unterdrücken? Wie weiß der dominante Partner dann, dass man sich an der Schmerzgrenze befindet, wenn man seinen Emotionen eben nicht freien Lauf lässt?
Bei einer vergangenen Session hatten wir ein ähnliches Erlebnis. Unser „Opfer“ wurde entsprechend behandelt und im Laufe der BDSM-Session mehrfach gefragt, ob alles soweit in Ordnung ist. Dies wurde mehrfach bestätigt, bis eine Grenze überschritten wurde und die Session abgebrochen werden musste. Im Nachgang stellte sich heraus, dass unser Opfer auf eine gewisse Art ein Gefühlslegastheniker ist. Ihm wurde es anerzogen sämtliche Gefühle was Schmerzen angeht zu unterdrücken und nicht darüber zu sprechen. Ein folgenschweres Verhängnis in einer BDSM-Session, da wir auf der dominanten Seite die Annäherung an die Schmerzobergrenze nicht vorhersehen konnten und die Session abgebrochen werden musste. Im Nachgang kann man zwar diese Fakten analysieren, aber einen negativen Beigeschmack wird diese Session immer haben und eine weitere Session wird dann möglicherweise in Frage gestellt oder gar nicht mehr in Betracht gezogen.
Wäre es nicht besser, wenn jede Person (eben auch die „starken“ Männer) ihre Gefühle offen zeigen und gerade in einer BDSM-Session darüber sprechen? Aus unserer Sicht ist es unverzichtbar für eine dominante Person, das Stimmungsbild in einer BDSM-Session jederzeit einschätzen zu können. Und es ist eben keine Schwäche, wenn man seine Gefühle zeigt und auch mal eine Träne fließt.
Auch wir hatten bei unserem Einstieg im Bereich BDSM den einen oder anderen Moment, in dem man von Selbstzweifel geplagt wird. Als devote Person kann es sein, dass man vor einem Dominanten kniet, ein Halsband trägt, an die Leine genommen wird und dann beginnt es im Bauch zu kribbeln. Einerseits macht sich Geilheit breit. Andererseits kann es passieren, dass man in sich kehrt und darüber nachdenkt, welchen irrationalen Unsinn man gerade macht. Es macht doch gar keinen Sinn hier mit Halsband an die Leine genommen zu werden und sich bewusst einer dominanten Person zu unterwerfen. Und dieser Selbstzweifel gepaart mit einer gewissen Überforderung kann zu einem psychischen Zusammenbruch führen und auch dazu, dass Tränen fließen.
Es liegt am dominanten Spielpartner einzuschätzen, was die devote Person braucht. Manche benötigen einen Abbruch und das temporäre Einstellen sämtlicher BDSM-Aktivitäten, andere benötigen eine sichere Führung durch die BDSM-Welt, damit sie selbst in ihrer Rolle wachsen können. Ein Patentrezept dafür, was wann anzuwenden ist, gibt es leider nicht. Es kommt auf die jeweilige Person bzw. Spielpartner an und auf die Tagesverfassung. Wichtig sollte immer ein offener und ehrlicher Austausch sein. Vorsicht ist eben besser als Nachsicht. Zudem verhält es sich bei langjährigen Spielpartner immer anders als bei einer Person, mit der man zum ersten Mal gemeinsam BDSM erlebt.
In jeder Session gibt es Gänsehautmomente. Das Kribbeln im Bauch, weil man nicht genau weiß, was einen erwartet und die Freude darüber, dass man etwas Schönes erleben wird. Und sollte es einmal nicht schön sein, dann sollte man darüber sprechen. Es gibt durchaus auch „schmerzgeile“ Personen, die bewusst an ihre Grenzen gebracht werden wollen. Da heißt es beim Spanken, dass es erst richtig losgeht, wenn die ersten Tränen fließen. Dann wird das Opfer umso restriktiver gefesselt und geknebelt und das Schlagen geht weiter. Aber wir möchten an dieser Stelle nochmals betonen, dass nicht jeder BDSM-Liebhaber automatisch auch ein Freund von Schmerzen ist. Es gibt ein sehr großes Spielfeld im Bereich Soft-SM. Sprecht offen über eure Gefühle, zeigt diese Gefühl auch und passt aufeinander auf.