Selbstdisziplin und Selbstbeherrschung sind alltäglich. Angefangen bei den „Benimm dich“-Regeln, die man schon im Kindesalter lernt. In der BDSM-Welt kann diese Selbstdisziplin eine spannende Spielvariante sein, da sie teils fremdbestimmt ist und doch ohne Fesselung stattfinden kann.
Keusch sein, ohne einen Keuschheitsgürtel zu tragen. Schweigen, ohne geknebelt zu sein. Augen geschlossen halten, ohne die Augen verbunden zu haben. Ruhig liegen bleiben, ohne gefesselt zu sein. In einem Käfig mit offener Türe sitzen bleiben. Das sind nur einige Beispiele, welche mit Selbstdisziplin und gleichzeitig auch Fremdbestimmung zu tun haben. Doch gerade für den unterwürfigen Spielpartner kann diese Art der Selbstdisziplin einiges abverlangen.
Nehmen wir mal an, dass der dominante Partner seinem Opfer den Hintern versohlen möchte. Es ist nahliegend, dass das Opfer dafür fixiert und geknebelt wird, um unnötiges Herumzappeln zu vermieden und laute Schreie zu unterdrücken. Die Nachbarn werden es einem danken. Und jetzt stellt euch die Situation noch einmal vor und das Opfer liegt ungefesselt und ohne Knebel flach auf dem Bauch, um die Schläge auf dem Hintern zu empfangen. Ist es da nicht naheliegend, dass der Devote bei jedem Schlag in Versuchung gerät sich zu bewegen und sich dadurch weiterer Schläge zu entziehen? Zudem wird ein möglicher Aufschrei auch nicht mehr physisch unterdrückt.
Hier kommt die fremdbestimmte Selbstdisziplin zum Einsatz: Der dominante Partner weist sein Opfer an, ruhig liegen zu bleiben und zu schweigen. Leichter gesagt als getan! Denn gerade bei körperlich herausfordernden oder schmerzhaften Spielarten kann das ruhige Liegenbleiben sehr viel Selbstdisziplin erfordern. Es wäre für das Opfer an der Stelle deutlich einfacher gefesselt zu sein. So müsste man sich keine Gedanken darüber machen sich nicht zu bewegen, da die restriktiven Fesseln freie Bewegungen einschränken oder gar vollständig unterbinden.
Der Selbstversuch
Bei einer der letzten Sessions haben wir einen Selbstversuch gemacht. Es begann damit, dass wir unserem Opfer gesagt haben, dass er die Augen geschlossen halten soll. Es saß auf einem Stuhl und wir richteten ein paar Spielsachen her. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich seine Augen unerlaubt geöffnet haben. Dieses Vergehen wurde entsprechend gerügt und kurz darauf sprach unser Opfer einen Wunsch aus: „Würdet ihr mir bitte die Augen verbinden? Ich tue mich schwer damit sie einfach so geschlossen zu halten.“
Es ist wie das Ankämpfen gegen einen natürlichen Reflex. Wir nehmen akustisch etwas wahr und instinktiv öffnen wir die Augen. Ähnlich ist es beim ruhigen Liegenbleiben. Der Körper versucht instinktiv sich physischen Einwirkungen zu entziehen. Mit einem treuen Leser haben wir uns kürzlich zu diesem Thema unterhalten und er möchte seine Gedanken mit uns teilen:
„Unverschlossene Keuschheit ist für mich Folter!“
Johannes (39) aus Hamburg: „Für mich ist es pure Folter unverschlossen keusch zu sein. Wenn meine Partnerin mich verschließt und die Schlüssel an sich nimmt, dann ist es für mich fast schon eine Erleichterung. Ich weiß, dass ich verschlossen bin und ich habe auch keinen Zugriff in den Genitalbereich. Wenn der Zugriff aber technisch möglich ist, dann greift man instinktiv auch in diesen Bereich. Angefangen beim Toilettengang. Man(n) stellt sich ans Urinal und schon habe ich meinen Penis fest in der Hand. Wäre der KG dran, so würde ich mich zum Pinkeln hinsetzen (müssen) und da wäre der Zugriff zu meinem Penis einfach nicht möglich. So absurd es klingen mag, aber für mich ist eine verschlossene Keuschheit ‚einfacher‘ als eine unverschlossene. Als devoter Part unserer Beziehung möchte ich die Verantwortung abgeben und dazu gehört für mich auch das Abgeben der Selbstdisziplin.“
Wir möchten an der Stelle betonen, dass die Selbstdisziplin im BDSM auch gänzlich ohne Fremdbestimmung stattfinden kann. Es sind dann selbstauferlegte Regeln, an die man sich hält. Das kann zum Beispiel ein Verzicht auf Süßigkeiten sein oder der Selbstzwang zu mehr körperlicher Aktivität. Eine selbstauferlegte (unverschlossene) Keuschheit kann es auch ohne ein abgelegtes Gelübde geben und zeitlich beschränkt oder unbeschränkt sein. Und es gibt auch gesellschaftliche Faktoren, die einen direkten Einfluss auf die Selbstdisziplin haben können, zum Beispiel eine Fastenzeit.
Übung macht den Meister
Es ist eine Sache der Übung, bis man diese Art der Selbstdisziplin im BDSM lernt. Wir haben im Vorfeld mit einigen Freunden über das Thema gesprochen und es waren sich die meisten einig: Es ist ein spannendes Experiment und durchaus in mancher Session eine Abwechslung. Dennoch ziehen die meisten unserer Gesprächspartner restriktive Fesseln fremdbestimmter Selbstdisziplin vor. Auf der anderen Seite waren alle Gesprächspartner daran interessiert diese Selbstbestimmung teilweise in zukünftigen Sessions anzuwenden. So wird das Opfer zum Beispiel gefesselt, es wird aber auf eine Augenbinde oder einen Knebel verzichtet. Die Augen muss das Opfer geschlossen halten und der Schnabel geschlossen bleiben (mit Ausnahme zur Aussprache des Safewords).
Für manche devoten Personen könnte diese Art der Fremdbestimmung auch eine Erleichterung sein. Menschen mit Klaustrophobie wollen oft nicht die Augen verbunden bekommen. So wäre die Anweisung, die Augen geschlossen zu halten, eine bekömmliche Alternative für diese Person.
Was haltet ihr davon?
Könntet ihr euch innerhalb einer Session vorstellen auf restriktive Fesselungen teilweise oder vollständig zu verzichten und euren devoten Spielpartnern Selbstdisziplin anzuweisen? Und wie wäre es für euch auf der devoten Seite? Eine Spanking-Session ohne Fesselung? Eine fremdbestimmte und unverschlossene Keuschheit? Schreibt uns gern eure Gedanken, wir freuen uns auf eure Zusendungen!
Eine Spanking Session OHNE Fesselung wäre für mich, wie eine Dusche ohne Wasser ..
Gerade der Möglichkeit der „endgültingen Strafe“ nicht entkommen zu können, zu wissen.. dass ICH verloren bin , gibt mir den Kick. Körper und „Geist“ sind dann nicht mehr EINS, sondern der Geist und der Körper sind getrennt. Den körperliche Schmerz nehme ich nicht mehr wahr. Für mich danach wie eine NEU-Geburt meines Geistes-. Probleme verschwinden..
Eine wundervolle geistige Entspannung , alles Verklemmte ist aufgelöst… jahhhhh bitte wieder und noch härter.
( dazu gehört natürlich auf der aktiven Seite eine sehr einfühlsame Person mit Erfahrung ! )
Diese Art der Selbstdisziplin ist nicht für jede Person geeignet.
Wir kennen einige, für welche die restriktive Fesselung ein nicht verhandelbarer Baustein in einer Session ist.
Andere stellen sich der Herausforderung…
Was ist, wenn man trotz Keuschheitsgürtel kommen kann? (ohne irgendwelche Extras wie Elektrostimulation oder große Plugs im Hintern) – Auch dann braucht es Willenskraft um sich daran zu halten nicht abzuspritzen. Ein KG hilft mir trotzdem ein wenig, aber Willenskraft (wie beim Verzicht auf Süßigkeiten) ist der schwierige Part. Und ich bin nicht gut darin.
Die Frage ist, ob derjenige (du?) auch ohne KG „kommen“ würde. Vielleicht ist es gerade der KG an sich, der die physische Stimulation verursacht und man nur deshalb zum Erguss kommt.
Hier wäre eine unverschlossene Keuschheit tatsächlich ein interessantes und forderndes Experiment zur Selbstdisziplin. Findest du nicht?
Unverschlossen bin ich meist am Wichsen – da kommt man von ganz allein. Mehrmals täglich^^
Dann ist es wohl „sicherer“, wenn du fest verschlossen bist.
Herrin wünscht nicht, dass ich mich berühre oder stimuliere. Zumeist bin ich auch ohne KG.
Da das Ihr dauerhafter Befehl ist, gehorche ich inzwischen auch grundsätzlich. Das geht inzwischen auch im Kopf bei mir soweit, dass ich mir nicht mal mehr sicher bin, ob ich es mir selber mit der Hand noch machen könnte.
Und was das Thema Fesseln in einer Session angeht: Ja, das kann ich nachempfinden. Es ist ungeheuer schwer, sich unbefestigt dem dominanten Partner auszuliefern. Da ich aber meiner Herrin auch gehorchen WILL, versuche ich eben dann doch mit aller Kraft still zu halten und die Schläge zu ertragen. Persönlich „wohler“ ist mir da doch, wenn Sie mich fixiert hat.
Inzwischen haben wir auch mehrere E-Mails zu diesem Thema erhalten. Einer berichtet sogar davon, dass das „Gefesselt sein“ eine gewisse Komfortzone ist. Wenn man gefesselt ist, dann braucht man sich keine Gedanken darüber machen, sich zu bewegen, da es eben physisch nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Wenn man aber unfixiert daliegen muss, dann gehört eine nicht zu unterschätzende Konzentration dazu, sich dieser Art der Selbstdisziplin zu folgen.
Von daher können wir sehr gut nachvollziehen, dass es dir „wohler“ ist, fixiert zu sein.
Hallo!
Für mich ist die Behandlung (Spanking, CBT etc.) das Addon einer Bondage-Session. Es unterstreicht, ja verstärkt die Wehrlosigkeit gegen die „Schmerzen“ und die „Demütigung“. Einfach nur „Hinhalten“ käme für mich nicht infrage.