Viele Leser fragen uns, ob wir ihnen ein paar Fesseltechniken beibringen können. Gerade zur aktuellen Zeit, in der das Reisen eher hinten angestellt wird, steigt das Angebot für Online-Kurse, auch für BDSM. Wir haben einen Veranstalter solcher Kurse getroffen und möchten die Möglichkeiten hier vorstellen.
Fesselblog: Hallo Dan, vielen Dank, dass du dir für ein Interview Zeit genommen hast. Erzähle uns doch ein wenig von dir selbst.
Dan: Hey Dennis, sehr gerne und ich bedanke mich für das Interesse. Ich lebe in Berlin, bin verheiratet und praktiziere seit über als 18 Jahren BDSM. Fesseln ist dabei ein essentieller Teil meines Spiels, den ich neben anderen extrem wertschätze. Dabei bin ich mittlerweile auch als „Kink Coach“ und Bondage Trainer unterwegs, gebe Workshops, Kurse und auch Einzelunterricht. Im letzten Jahr hatte sich aber einiges verändert! Wo ich früher regelmäßig physische Kurse gegeben habe und durch Deutschland auf verschiedene Events gereist bin, war plötzlich nichts mehr los… Lockdown #1. Dies hatte ich zum Anlass genommen, um eine Idee, die ich bereits davor hatte und die mich brennend interessierte umzusetzen: Online-Kurse.
Fesselblog: Es ist eine tolle Sache, dass du deine Fähigkeiten im Bereich BDSM mit anderen teilst. Doch wie hast du selbst diese Fähigkeiten erlangt? Gab es jemanden, der dir das alles beigebracht hat oder hast du dir das autodidaktisch gelernt, frei nach dem Motto „learning bei doing“?
Dan: Vor ca. 10 Jahren habe ich das erste Mal Bondage unterrichtet. Dass ich dies konnte, war damals aber gar nicht so leicht. Während der Entwicklung meiner Bondage Skills habe ich in den Gegenden Stuttgart, Mannheim, NRW, Wolfsburg und Augsburg gelebt. Dort und in den nahen Städten gab, bzw. gibt es teilweise auch heute noch keine ordentlichen Shibari- oder Bondageschulen. Das heißt ich habe am Anfang sehr viel experimentiert, von Bekannten und Dates Tricks übernommen, viel in Büchern und im Web gelesen und gelernt. Dabei habe ich mich auch aus naheliegenden Bereichen bedient, wie dem Klettern, der Seefahrt, der Medizin (vor allem natürlich Anatomie) oder ähnlichem.
Einen ersten echten Sprung habe ich dann mit 24 gemacht, als ich einen erfahrenen Master kennenlernte, der mir entscheidende Grundlagen beibrachte. Von da an konnte ich mich schneller entwickeln, da ich ein anderes Verständnis für das Thema hatte. Natürlich habe ich später auch einige Kurse und Lehrgänge von anderen Bondage-Profis besucht und mich vielseitig fortgebildet. Ich experimentiere aber immer noch sehr gerne und viel und entwickle regelmäßig neue Fesselungen. Für mich ist dies ein wichtiger Teil des Spaß an der Sache: die kreative Arbeit mit einem anderen Menschen…
Fesselblog: Gerade Neueinsteiger haben bei der ersten Begegnung mit BDSM eine große Hemmschwelle. Sich gleich bei einem Kurs (vor Ort) anzumelden ist hier bestimmt auch eine große Hürde. Die Möglichkeit online, also somit virtuell, an solchen Kursen teilzunehmen senkt die Hemmschwelle bestimmt.
Dan: Ja, absolut! Man muss das Haus nicht verlassen und kann BDSM gemütlich von Zuhause aus trainieren. Das ist schon ein echter Vorteil. Die Überwindung in einen einschlägigen Club zu gehen mag für den einen oder anderen doch größer sein, als zuhause einfach den Computer anzumachen und die Zimmertür zu schließen. Im virtuellen Raum ist man dann auch einfach sicher. Man kann an Workshops sogar komplett anonym teilnehmen, ohne Cam und Bild. Einige machen dies gerade beim ersten Mal auch so und just später geht dann das Mikrofon oder die Cam doch an, wenn die Teilnehmer merken, dass alle liebe und unkomplizierte Menschen sind. Gerade bei Bondage wird dies aber grundsätzlich nicht empfohlen, da mir hierdurch die Möglichkeit genommen wird Feedback zu geben.
Fesselblog: Neueinsteiger, Amateur, Profi… aber für wen sind denn deine Kurse gedacht? Welche Zielgruppe haben deine Kurse?
Dan: Das kommt auf den jeweiligen Kurs an. Die Basics richten sich an Neulinge. Der komplette Kurs dauert sechs Stunden und eine zusätzliche Sicherheitseinführung. Hier lernt man die Grundlagen und vor allem den sicheren Umgang mit Seilen und Knoten. Es soll aber auch Spaß machen und das Seil wird viel in der Hand und auf dem Körper liegen.
Für die Erfahrenen gibt es dann den „Advanced Bereich“, in dem man „kompliziertere“ (anspruchsvollere) Fesselungen und Varianten lernt. Auch einige Grundlagen für die späteren Sonderthemen werden hier gelegt, wie Semi-Suspension, komplexere Ganzkörperfesselungen oder Zierbondage.
Die Profi-Themen sind derzeit nur vereinzelt über Workshops dabei, wobei wir gerade daran arbeiten einen regelmäßigen Suspension-Kurs zu starten.
Parallel zu diesen aufeinander aufbauenden Kursen gibt es aber auch unabhängige Workshops. Diese drehen sich dann um spezielle Themen, wie Bondage für Sex, die Aufbereitung und Wartung von Seilen, wie man Gefühle mit dem Seil erzeugen kann, Selfbondage oder Mediation und Bondage. Es gibt also sehr unterschiedliche Dinge zu entdecken, so dass für jeden etwas dabei ist.
Fesselblog: In welcher Sprache finden die Kurse statt? Gerade auf Folsom Europe in Berlin haben wir viele englischsprachige Personen aus dem europäischen Ausland kennengelernt. Gibt es von daher aus europäischer Sicht Kurse in englischer Sprache?
Dan: Derzeit finden die Kurse noch ausschließlich auf Deutsch statt. Wir arbeiten aber an einer englischsprachigen Version. Diese wird zeitnah auch über unsere Webseite promotet werden.
Fesselblog: Gibt es unabhängig von „Gruppen-Kursen“ die Möglichkeit auch virtuell ein 1:1-Gespräch bzw. Kurs zu buchen um wie hier auf die ganz individuellen Bedürfnisse der Kursteilnehmer einzugehen?
Dan: Selbstverständlich! Privatstunden (alleine oder mit einem Partner/in) können sowohl online, wie auch offline gebucht werden (je nach aktueller Lage natürlich). Es gibt aber auch die Möglichkeit Bondage als Erfahrung oder für Meditation zu buchen. Es geht hierbei einfach um das Gefühl in den Seilen zu hängen und quasi zu schweben, in sich zu kehren und sich fallenzulassen. Dies hat einen sehr befreienden Charakter, wobei es sehr unterschiedliche Beweggründe gibt. Es geht aber auch genau andersrum, als Highlight auf dem Junggesell(inn)enabschied oder der Geburtstagsfeier, für Fotoshooting oder Filmaufnahmen. Ich habe da an sehr vielen Sachen Spaß und sehe mich da auf der kreativen Seite. Gerne einfach direkt bei mir anfragen, so dass man dann gezielt die Schwerpunkte und Termine festlegen kann.
Fesselblog: Es gibt auf diversen Videoplattformen einige Bondage-Tutorials, welche zum Nachmachen anregen. Deine Kurse sind zwar virtuell, finden aber „live“ statt und sind keine Aufzeichnung. Gibt es die Möglichkeit für Teilnehmer während des Kurses Fragen zu stellen?
Dan: Video-Tutorials sind super um Sachen zu wiederholen oder wenn man sich bereits gut mit Anatomie, Seilführung und den Fesselgrundlagen auskennt. Zum Einstieg rate ich aber eher davon ab, da teils das Verständnis für Sicherheit und die Grundlagen nicht vorhanden sind. Fehler werden leicht übersehen und wenn was unklar ist, hat man kein Feedback. Live Feedback ist aber sehr wichtig und genau so muss man sich eben auch den Online-Kurs vorstellen. Man kann jederzeit fragen und über die eigene Cam das zeigen, was man geknotet hat, um dann auch Feedback zu erhalten. Es wird auch nochmals anders erklärt, wenn man etwas nicht versteht und die Fragen der anderen Teilnehmer helfen es selbst besser zu machen.
Fesselblog: Die technischen Voraussetzungen für einen Online-Kurs hat wohl nicht jeder gleichermaßen zuhause. Welche technischen Mindestanforderungen würdest du empfehlen? „Braucht“ man einen PC oder Notebook mit Webcam oder „reicht“ vielleicht sogar schon ein Smartphone? Was würdest du für die sorgenfreie Teilnahme an einem Online-Kurs empfehlen?
Dan: Prinzipiell reicht ein Smartphone mit Internetanbindung (im Optimalfall mit dem W-LAN verbunden) aus. Wer aber regelmäßig an Online-Kursen teilnimmt, der sollte sich einen großen Bildschirm und am besten eine davon unabhängige Webcam zulegen. Ein klassischer PC oder Laptop reicht. Die Webcam kann aber auch die des Smartphones sein und der Bildschirm kann zum Beispiel vom Smartphone über ein „Cast-System“ auf einen Smart-TV projiziert werden. So bräuchte man keine weitere Technik. Wichtig ist aber, dass man die Technik vorher testet, so dass man im Kurs nicht die Medien-Technik zusätzlich zu der Knotentechnik lernen muss. Das wäre dann doch etwas zu viel des Guten.
Fesselblog: Gibt es sonst noch Voraussetzungen, die man beachten sollte? Gerade wenn es ums Erlernen von Fesseltechniken geht werden ein paar Fessel-Utensilien erforderlich sein.
Dan: Natürlich benötigen alle Teilnehmer ein eigenes Seil und eine Sicherheitsschere für den Notfall. Wenn man noch kein eigenes Seil hat, dann rate ich von schwarzem und komplett weißen Seil ab, da diese vor der Cam häufig zu einem Fleck werden und dann sind für mich als Trainer die Knoten nur sehr schwer zu erkennen. Auch macht es Sinn, wenn man die Kleidung in einer Kontrastfarbe zum Seil wählt und das Licht so einrichtet, dass es von vorne auf den Fesselnden scheint und nicht etwa von hinten.
Fesselblog: Gibt es die Möglichkeit nach einem teilgenommenen Kurs diesen nochmal als Aufzeichnung zu bekommen? Oder wäre das vom Datenschutz her schwierig, da die anderen Teilnehmer vielleicht etwas dagegen haben könnten? Anonymität ist für viele Personen gerade im Bereich BDSM ein sehr kostbares Gut.
Dan: Natürlich können wir nicht unsere Kursteilnehmer aufzeichnen und würden wir auch nicht tun. Für die Einsteiger haben wir extra Videos produziert mit zwei Perspektiven. Bei der einen siehst du das gesamte Bild, bei der anderen hast du die „Egoperspektive“, also direkt wie ich als Fesselnder auf die Seile schaue. Dies macht es besonders leicht das Ganze anschließend zu wiederholen. Bei den „Advanced Kursen“ machen wir am Ende eine extra Spotlight-Aufnahme, wo nur der Trainer zu sehen ist. Das Video wird anschließend bearbeitet und bereitgestellt. Somit sichern wir die Anonymität der Teilnehmer und alle Teilnehmer können es dann im Nachgang leicht nochmals wiederholen.
Fesselblog: Wir gehen stark davon aus, dass sich die weltweit angespannte Lage in den nächsten Monaten stark verbessern wird. Sind denn weitere Kurse vor Ort (in Berlin) geplant oder besteht vielleicht sogar die Möglichkeit in anderen Orten (außerhalb von Berlin) an deinen Kursen (persönlich/physisch) teilzunehmen?
Dan: Das hoffen wir natürlich sehr! Sobald es möglich ist, werden wir auch wieder in Berlin physische Kurse anbieten. Auch werden wir auf diversen Messen und Festivals wieder dabei sein, vorausgesetzt, dass diese natürlich stattfinden.
Fesselblog: Was würdest du einer Person empfehlen, die noch am Überlegen ist, ob denn so ein Online-Kurs die richtige Wahl ist? Gibt es ein „Schnupperangebot“?
Dan: Einfach ausprobieren. Wir haben eine spezielle Einführungsstunde, wo es um Anatomie und Sicherheit geht, wo aber auch ein paar technische Fragen und Basisknoten vermittelt werden. Die nächste findet am 04.03.2021 statt. Man kann aber auch jederzeit bei einem anderen Kurs reinschnuppern, der mit „Basics“ im Name markiert ist. Da kommt man dann zwar auch mit etwas erfahreneren Anfängern zusammen, aber wir nehmen uns für alle die Zeit, die sie brauchen.
Fesselblog: Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?
Dan: Es ist wichtig zu erwähnen, dass das Bondage online nicht nur eine Notlösung während der Pandemie ist. Viele Teilnehmer genießen einfach das Training Zuhause, haben ansonsten gar nicht die Möglichkeit oder schätzen einfach die Expertise im Kurs. Daher werden wir das Angebot auch nach Corona noch weiter anbieten und ausbauen. Unsere Kurse sind offen für jedes Geschlecht und jede Orientierung. Interessierte finden alle Angebote derzeit unter: www.gay-BDSM.club
Fesselblog: Vielen Dank für das Interview. Es hat uns sehr viel Spaß gemacht und wir sind neugierig auf den einen oder anderen Kurs bei dir. Denn wir sind uns sicher: ausgelernt haben wir alle noch nicht. Es gibt immer noch so viel zu entdecken!
Als kleine Vorschau auf weitere spannende Themen hier ein kleines Tutorial über den Schustersitz (eine Selfbondage-Technik). Viel Spaß beim Anschauen: