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Das internationale Gehör

Soziale Netzwerke sind ein Schlaraffenland für die zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion. Es wird gepostet, kommentiert, geteilt, miteinander geschrieben, gelesen und auch gern genörgelt. Immer mehr deutsche Kinkster gehen dazu über ihre Kommunikation in Englisch zu verfassen, damit sie internationales Gehör finden. Muss das sein?

Seit mehreren Jahren beobachten wir auf den sozialen Netzwerken die sprachliche Entwicklung so mancher Fetischfreunde. Von inspirierenden Beiträgen über detaillierte Berichterstattung bis hin zu so manchem Fetischabenteuer sind unzählig viele Inhalte zu finden. Immer mehr deutschsprachige Personen gehen dazu über ihre Posts in Englisch zu verfassen. Skurril wird es dann auch, wenn sich zwei (nachweislich) deutschsprachige Personen einen schriftlichen Schlagabtausch in englischer Sprache leisten. Warum? Damit die Kommunikation zwischen ihnen auch wirklich überall auf der Welt mitverfolgt und verstanden werden kann? Muss das sein?

Zugegeben, ich arbeite in der IT (Kurzform für „Informationstechnologie“) als gelernter „Informations- und Telekommunikationssystemkaufmann“. In der IT wimmelt es von englischen Begriffen. Server, Computer, Tablet, Software, Applications, Updates und unzählige andere Begriffe, die wir inzwischen auch fest in unserem deutschen Sprachgebrauch übernommen haben.

Exkurs: Um die Jahrtausendwende wurde ich von meinen Großeltern gefragt, ob ich mir zum Geburtstag eine „Scheibe“ wünsche. Erst auf Nachfrage meinerseits wurde mir bewusst, dass sie eine Musik-CD oder eine DVD meinten. Hier wurde von den Großeltern bewusst das deutsche Wort „Scheibe“ anstatt dem englischen Wort „disc“ benutzt. Schließlich hat man früher zu den kreisförmigen Tonträgern auch Schallplatte und nicht „record“ gesagt.

Sprache verändert sich, die Gesellschaft verändert sich und einige deutsche Begriffe verschwinden und werden durch englische bzw. international anerkannte Begriffe ersetzt. Bestes Beispiel ist das „Streaming“ oder zu Deutsch „Streamen„. Korrekt übersetzt würde man „strömen“ sagen, aber heutzutage wird niemand einen Film oder eine Serie auf seinem Fernseher strömen, auch wenn es lustig klingen würde.

Im Fetischbereich ist es ähnlich. Es gibt englische Begriffe, die es in den internationalen Sprachgebrauch geschafft haben: Blowjob, Bondage, Fisten, Fuck, Safeword, Session, Sling, Sounding, Spanking, Switch und viele weitere. Ein fiktives Beispiel: „Bei der letzten Session stellte sich heraus, dass mein Master eigentlich Switch war. Ich legte ihn in den Sling, dann gab es Bondage und Fisting und zum Schluss habe ich mich von ihm mit einem Blowjob zum Schuss bringen lassen.
Für manche Fetischfreunde (oder „Kinkster“) stellt sich die Frage, warum nicht gleich den ganzen Text in Englisch zu verfassen, wenn er ja eh voller englischer Begriffe ist.

Ein naheliegender Gedanke und plötzlich erreicht man mit seinen Texten im Internet Leser aus Ländern rund um den Globus. Die Frage ist, wen man erreichen möchte. Möchte man Personen am anderen Ende der Welt erreichen oder möchte man sich mit Leuten aus der Nachbarschaft unterhalten? Bei Leuten aus der Nachbarschaft könnte es durchaus sein, dass manche gar kein Englisch verstehen. Das bedeutet auch, dass man bei der Wahl der Weltsprache Englisch so manche deutschsprachige Person ausschließt, da diese wohlmöglich gar kein Englisch versteht.

Kommen wir zurück zum oben erwähnten Schlagabtausch zwischen zwei deutschen Fetischisten, die sich in den sozialen Medien (in diesem Fall Twitter) auf Englisch miteinander öffentlich unterhalten haben. Auf Nachfrage gab es eine einfache Begründung: Der Großteil des Freundeskreises des Verfassers des ursprünglichen Beitrags befindet sich in USA und er möchte seine Freunde aus Übersee an seinen Beiträgen in den sozialen Netzwerken teilhaben lassen. Die Personen in seinem Umfeld, die kein Englisch sprechen und verstehen, sind nicht auf den sozialen Netzwerken unterwegs und von daher wurde bei der Sprachenwahl Englisch präferiert.

Bei einem anderen Fetischisten haben wir auf die Frage, warum er seine Beiträge fast ausschließlich in Englisch verfasst folgende Antwort bekommen: „Ich möchte bewusst in den Ländern außerhalb von Deutschland auf mich aufmerksam machen, um mich mit möglichst vielen Fetischfreunden auf der Welt unterhalten zu können.
Es besteht dabei immer die „Gefahr“, dass das internationale Gehör taub ist und dass sich dann deutsche Personen gemeinsam in einer Fremdsprache unterhalten, was manchmal etwas albern wirken kann. Doch es obliegt der Entscheidung eines jeden, mit wem und auf welcher Sprache er oder sie sich unterhält. Unentschlossene sollten sich zunächst selbst entscheiden, welches Publikum sie mit ihren Beiträgen auf sozialen Netzwerken erreichen möchten, dann klärt sich die Frage nach der Sprache fast von selbst.

Wir werden unsere Beiträge vorrangig in deutscher Sprache verfassen. Natürlich werden es aufgrund des Sprachgebrauchs immer wieder einige englische Begriffe in unsere Texte schaffen. Vielleicht gibt es in Zukunft anstatt Bondage ein paar Fesselspiele.

Veröffentlicht von

Dennis

Mentor und Berater im Bereich Fetisch und BDSM. Du möchtest dich über Fetisch und BDSM unterhalten? Kommt gern auf mich zu. Egal ob Einsteiger oder Profi, ich unterstütze dich gern!

4 Gedanken zu „Das internationale Gehör“

  1. Ja gut, eigentlich ist schon alles gesagt: Auf das Publikum kommt es an. Wenn ich mich in FetLife (mit seinem internationalen Publikum) herumtreibe, schreibe ich auch in einer anderen Sprache als im (regional betonten) Joyclub. Als Deutschland bei den elektronischen Rechenmaschinen noch was zu melden hatte (vor 50 Jahren), waren die Fachbegriffe auf Deutsch (einige leben als Übersetzung weiter), dann gewannen die Amis und heutzutage haben wir Texte mit Wörtern, die sich nicht mal mehr übersetzen lassen (z. B. »prototype polluting«).

    Was die Szenebegriffe angeht: Einer der Zwecke von Fachbegriffen besteht darin, dass die Szeneangehörigen zueinander finden und sich nach außen abgrenzen. Das ist überall so, egal ob in der EDV, beim Segeln oder im Kink (übrigens auch ein Segelbegriff, der bezeichnet eine Macke in einem Tau 😉).

    Andererseits: Will man das überhaupt alles auf Deutsch haben? Meiner Erfahrung nach taugt Deutsch sehr schlecht zum Seggsschreiben, das klingt dann entweder technisch oder peinlich, so wie dieser Twitter-Klassiker hier (Orginalautor unbekannt):
    „Das perverse geblase und das abfingern der Möse und des Arsches würde mich
    nach kürzester Zeit zum heftigstem abspritzen der Zuchtwichse bringen, hinterher würde ich gerne noch die Fetteuter abgreifen während Sie mir die restliche Sahne mit den Abmelkhandschuhen rauswichsen“

    Aber von mir aus könnt ihr gern von Fesselspielen schreiben, auch wenn das Wort für strenge Fesselungen, wo zwischen den Seilen das Fleisch rausquillt, schon wieder fast zu harmlos ist 😉

    Viele Grüße

    1. Eigentlich schon lustig (oder schade), dass die deutsche Sprache als „peinlich“ bezeichnet wird. Wir haben so schöne Worte wie Arschpfropf, Kunstglied oder Schamkapsel. Nur im Sprachgebrauch stehen diese Worte eher hinten an. Ein Grund mehr, diese bewusst zu verwenden?

      1. »Arschpfropf«? Ist ja lustig, das kannte ich noch gar nicht (genauso wie die anderen beiden). Ist das das gleiche wie der Analstöpsel?

        Viele Grüße

        1. Da sieht man mal, wie vielfältig die deutsche Sprache ist. Jetzt haben wir sogar schon zwei Begriffe für „Buttplug“. Es gibt bestimmt noch mehr. 🙂

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